In den 1970er Jahren, als Tapeten noch braun-orange waren und niemand etwas von Tierwohl-Initiativen gehört hatte, lebte Schauspielerin Tippi Hedren nicht nur mit ihrer Familie, sondern auch mit einem Löwen zusammen. Ja, richtig gelesen. Ein echter, haariger, 180 Kilo schwerer Löwe namens Neil döste ganz selbstverständlich auf dem Wohnzimmerteppich, badete im Pool und schlief mit der kleinen Melanie Griffith im Bett. Und das alles nicht etwa in einem Safari-Camp, sondern im sonnigen Sherman Oaks, Kalifornien.

Tippi Hedren, bekannt aus Alfred Hitchcocks Die Vögel, war 1969 für Dreharbeiten in Afrika unterwegs, als sie ein verlassenes Haus in Mosambik betrat – bewohnt von nicht weniger als 30 Löwen samt Nachwuchs. Statt sich wie jeder vernünftige Mensch schnellstmöglich zu entfernen, war Tippi fasziniert. So sehr, dass sie beschloss, einen Film über diese majestätischen Tiere zu drehen. Was dann folgte, war weniger Dokumentation als ein dekadenlanger Wahnsinnstrip – Titel des Films: Roar.
Tippi Hedren und Löwen – Hollywood trifft auf Raubtierlogistik
Tippi und ihr damaliger Ehemann Noel Marshall dachten sich: „Warum nicht gleich mit 50 Löwen drehen?“ Ein erfahrener Tiertrainer machte ihnen allerdings rasch klar, dass man Raubkatzen nicht einfach zu einem Casting einlädt. Sie müssten langsam und individuell aneinander gewöhnt werden – oder sie würden sich (oder die Filmcrew) gegenseitig zerfleischen.
Statt sich entmutigen zu lassen, startete das Paar kurzerhand seine eigene Löwenzucht – in der heimischen Vorstadtvilla. Neil war der erste. Ein stattlicher Löwe mit sanftem Gemüt, der vier bis fünf Tage die Woche zum Kuscheln vorbeischaute. Löwenbabys wurden in der Badewanne gewaschen, schliefen mit im Bett und verteilten regelmäßig ihre Krallenabdrücke im Mobiliar.
„Die Zeit zwischen sechs Wochen und sechs Monaten ist einfach zauberhaft“, schwärmte Tippi später – also jener Zeitraum, in dem ein Löwe schnell größer wird als ein Golden Retriever und die Kraft eines Kleinwagens entwickelt.
Ein Film, viele Verletzungen und noch mehr Tierliebe
Die Nachbarn waren – sagen wir mal – not amused, und die Behörden schritten ein. Also zog die Familie samt Raubtiere in den abgelegenen Soledad Canyon. Dort verbrachten sie die nächsten elf Jahre mit den Dreharbeiten. Ja, elf Jahre.
Das Ergebnis? Ein Film, der über 17 Millionen Dollar verschlang und an den Kinokassen gerade mal zwei Millionen einspielte. Dazwischen: unzählige Verletzungen. Tochter Melanie Griffith, damals 19, wurde von einer Löwin angegriffen und musste im Gesicht genäht werden. Der Kameramann wurde teilweise skalpiert. Tippi selbst wurde von einem Leoparden zerkratzt und von einem Puma in die Brust gebissen.
Und trotzdem – oder gerade deshalb – setzte sich Tippi fortan für den Schutz exotischer Tiere ein. Die Schauspielerin erkannte, dass es vielleicht doch keine so gute Idee ist, Wildtiere auf der Couch zu halten.
Von der Wohnzimmer-Safari zur Tierschutzikone
1983 gründete sie die Shambala Preserve, ein Tierreservat in Kalifornien, das misshandelte oder illegal gehaltene Wildtiere aufnimmt. Dort fanden unter anderem auch Michael Jacksons Tiger „Thriller“ und „Sabu“ ein neues Zuhause. Tippi erklärte später, sie habe den Tigern vom Tod ihres ehemaligen Besitzers erzählt. „Man weiß nie, welche Art von Gedankenübertragung zwischen Mensch und Tier möglich ist“, sagte sie in einem Interview mit The Guardian. Ob die Tiger es verstanden haben? Nun, das werden wir wohl nie erfahren.


Heute beherbergt Shambala über 50 Raubkatzen – darunter Löwen, Tiger, Pumas, Leoparden und andere pelzige Problemfälle. Die Tiere können sich dort nicht nur körperlich, sondern auch seelisch erholen – fernab von Las Vegas-Shows, Filmsets oder Wohnzimmern in der Vorstadt.
Tippi Hedren leitet das Löwen-Reservat bis heute – und obwohl sie inzwischen eine strenge Gegnerin von Wildtieren im Haus ist, schwelgt sie gelegentlich doch in Erinnerungen:
„Ich vermisse es, die Babys großzuziehen. Es war eine magische Zeit.“