Das Dschungelmädchen Tippi Degré: Aufgewachsen mit wilden Tieren

Manche Kinder spielen mit Bauklötzen. Andere mit Kuscheltieren. Und dann gibt es Tippi Degré, das Mächen mit wilden Tieren. Die hatte einen Elefanten als Bruder, planschte mit Krokodilen und kuschelte mit Leoparden. Nein, das ist keine vergessene Szene aus „Das Dschungelbuch“, sondern das echte Leben eines kleinen französischen Mädchens, das ihre Kindheit lieber mit Wildtieren als mit anderen Kindern verbrachte – und dabei erstaunlicherweise nicht gefressen wurde.

Tippi wurde 1990 in Namibia geboren, mitten im Herzen Afrikas, als Tochter zweier französischer Naturfotografen, Alain Degré und Sylvie Robert. Statt also in Paris auf einem Bobbycar herumzuflitzen, kletterte sie auf Giraffen, balancierte auf Straußenrücken und diskutierte mit Chamäleons über Farbabstimmung. Ihre Mutter sagt über sie: „Sie war im Geiste dieser Tiere. Sie glaubte, sie wären genauso groß wie sie. Und dass sie ihre Freunde seien.“ Ein bisschen Größenwahn? Vielleicht. Aber ein ziemlich süßer.

Von Abu bis zur Kobra – ihre wilde Clique

Die Liste ihrer tierischen Freunde liest sich wie das Teilnehmerfeld einer besonders gefährlichen Staffel von „Germany’s Next Top Beast“: Abu, ein 28-jähriger Elefant, mit dem sie auf Augenhöhe plauderte. J&B, ein Leopard, der so zahm mit ihr umging, als wäre sie seine lang vermisste Kuscheldecke. Strauße, Krokodile, Meerkatzen, Zebras, ein Gepard, Schlangen, Chamäleons und sogar ein überdimensionaler Ochsenfrosch. Tippi war quasi das soziale Zentrum des Tierreichs – so etwas wie die Mutter Teresa im Tarzan-Outfit.

Und obwohl keines dieser Tiere je von Menschenhand gezähmt wurde, akzeptierten sie die kleine Französin offenbar als ihresgleichen. Sogar Strauß „Linda“ war dermaßen vorsichtig mit ihr, dass es den Eltern kaum gelang, ein Foto der beiden beim Reiten zu schießen. Bei einem Strauß! Der ist sonst nicht gerade für seine Feinfühligkeit bekannt.

Wenn die Buschmänner Babysitten

Aber Tippis Erziehung übernahmen nicht nur Elefanten und Co. – auch die Buschmänner der Kalahari mischten mit. Sie zeigten ihr, wie man in der Wildnis überlebt, welche Wurzeln essbar sind (Spoiler: nicht alle), wie man jagt und in der örtlichen Sprache schimpft. Die Dorfgemeinschaft nahm das Mädchen mit  wilden Tieren unter ihre Fittiche, als wäre sie ein eigenes Kind – mit dem kleinen Unterschied, dass dieses Kind ein französisches Kamerateam im Schlepptau hatte.

Und während andere Kinder in Tippis Alter sich über zu wenig WLAN beschweren, lernte sie, wie man mit einem Pfeil ein Abendessen organisiert.

Paris? Eher „Planet der Fremden“

Nach zehn Jahren Natur pur hieß es dann: Zurück nach Frankreich. Bonjour, Baguette, Beton. Tippi Degré – Das Mädchen mit wilden Tieren wurde in eine französische Regelschule gesteckt – und das ging ungefähr so gut wie ein Leopard im Streichelzoo. Sie fand kaum Anschluss, die anderen Kinder hatten wenig Lust auf Gespräche über Warzenschweine und Wildbeeren, und überhaupt: Was ist das eigentlich für ein Ort, an dem es keine Erdmännchen gibt?

 

 

 

 

 

 

 

Tippi Degré und Elefant

Nach zwei Jahren gaben die Eltern das Experiment Großstadt auf und entschieden sich für Homeschooling. Und das war wohl eine kluge Entscheidung, denn spätestens da war Tippi in Frankreich bereits eine kleine Berühmtheit. Ihr Buch Tippi aus Afrika wurde ein Bestseller und bewies, dass man mit einer Kindheit im Busch auch eine Karriere im Bücherregal starten kann.

 

Zwischen TV-Dokus und Tigerpflege

In den Folgejahren kehrte Tippi Degré regelmäßig nach Afrika zurück – diesmal allerdings mit Kamera und Mikrofon im Gepäck. Für den Discovery Channel drehte sie gleich sechs Dokumentationen über die Tierwelt, wurde zur Tierflüsterin im Fernsehen und irgendwie zur Botschafterin für ein Leben jenseits von PlayStation und Pausenhof.

Tippi Degré, das Mächen mit den wilden Tieren

Später studierte sie Film an der Sorbonne in Paris, betreute Tiger bei der französischen Gameshow Fort Boyard (ja, das mit den Muskelmännern und den Ratten) und entschied sich dann irgendwann für ein ruhigeres Leben abseits der Öffentlichkeit. Viel hört man heute nicht mehr von ihr – was ehrlich gesagt fast ein bisschen schade ist. Ich hoffe ja insgeheim, sie ist wieder mit Abu durch die Savanne unterwegs oder bringt einem Warzenschwein Französisch bei.

Tippi Degré – Mädchen mit den wilden Tieren

Was bleibt von Tippis Geschichte? Eine wohltuende Erinnerung daran, wie wenig wir eigentlich brauchen, um glücklich zu sein – und wie viel wir gewinnen, wenn wir uns wieder mit der Natur verbinden. Vielleicht müssen wir ja nicht alle gleich mit Leoparden kuscheln oder Froschschenkel zum Frühstück lutschen. Aber ein bisschen weniger Netflix und ein bisschen mehr Natur könnte nicht schaden. Wer weiß – vielleicht wohnt auch in dir ein kleiner Buschmensch mit Fernweh und einer Vorliebe für Abenteuer.

Tippi Degré Tiere