Savannah, Georgia – Eine Stadt, die auf ihren Toten gebaut wurde

Wenn man sich auf eine Zeitreise in den tiefen Süden der USA begeben möchte – und dabei nicht ganz auf Cocktail in der Hand und Geist im Nacken verzichten will – dann führt kein Weg an Savannah vorbei. Die Hafenstadt im Bundesstaat Georgia ist nicht nur historisch aufgeladen, sondern auch angenehm skurril. Spanisches Moos hängt von uralten Eichen wie die Spitzenvorhänge bei Oma, Geister gehören hier zum guten Ton, und selbst die Hausfassaden zeigen sich einfallsreich im Kampf gegen das Übernatürliche: Decken in „Haint Blue“ sollen die Geister fernhalten. Na dann – Salbei-Bündel einpacken und los geht’s.

Im Zentrum des städtischen Geschehens liegt Forsyth Park, wo Menschen, Hunde und Heiratsanträge gleichermaßen flanieren. Besonders gegen 17:30 Uhr wird der Park zur inoffiziellen Versammlungsstätte der Hundebesitzer*innen. Die viktorianische Nachbarschaft gleich nebenan wirkt wie ein Freilichtmuseum aus der Zeit, als Häuser noch Türmchen brauchten, um ernst genommen zu werden.

Historisch gesehen hatte Savannah immer ein Talent für das gute Leben – selbst während der Prohibition floss der Alkohol, wenn auch unter dem Ladentisch. Heute trifft man sich lieber ganz offen in „Abe’s on Lincoln“, einem Kneipen-Urgestein, dessen Wände mit Serviettenzeichnungen von Abraham Lincoln geschmückt sind – vielleicht als Dank, denn Savannah wurde ihm im Bürgerkrieg als Weihnachtsgeschenk überreicht. Es gibt schlechtere Präsente.

Wer sich fragt, warum so viele Menschen mit Einwegbechern durch die Altstadt schlendern, dem sei gesagt: Hier ist das Trinken im Freien legal – ein Detail, das den Stadtrundgang erheblich versüßt. Besonders wenn man sich dabei unter den gigantischen Eichen in einem der 22 öffentlichen Plätze verliert. In Wright Square liegt nicht nur das erste Begräbnisfeld der Stadt, sondern auch das Wright Square Café, wo man sich zwischen Sandwiches, Trüffeln und Butter Bars kurz fragt, ob man jetzt Kaffee oder Beichte braucht.

Freunde des gepflegten Krams kommen bei Alex Raskin Antiques auf ihre Kosten – eine heruntergekommene Villa, in der nicht nur die Dielen ächzen, sondern auch das Herz jedes Antiquitätenliebhabers. Zwischen Möbelstücken aus dem 18. Jahrhundert und bröckelndem Putz weht der Charme vergangener Zeiten. Und wer denkt, das sei schon schrullig, war noch nicht bei Picker Joe’s – einer Wunderkammer auf 1000 Quadratmetern mit Delta-Flugzeugsitzen, Friedhofsresten und eigens gemischtem Kaffee.

Wer sich lieber ins Paranormale vertieft, übernachtet stilecht im Hamilton Turner Inn, wo einst Autopsien im Innenhof stattfanden und nachts Billardkugeln die Treppe runterkullern – zumindest angeblich. Auch im 17Hundred90 Inn sind Spukgeschichten inbegriffen: Der Geist „Thaddeus“ hinterlässt Münzen wie ein sparsamer Weihnachtsmann.

Romantisch wird’s im Olde Pink House, einem charmanten Restaurant mit Eigenleben – oder sagen wir besser: mit geisterhaftem Personal. Selbstverständlich gibt’s hier Fried Green Tomato BLT, denn irgendetwas muss man ja essen, während die Kerzen von allein angehen.

Das beste Fried Chicken der Stadt (vielleicht sogar der Welt) serviert Mrs. Wilkes in rustikalem Familienstil – man isst mit Fremden an langen Tischen und wünscht sich danach elastische Hosen. Zum Frühstück geht’s dann ins märchenhafte Maté Factor, eine Mischung aus Hobbit-Höhle und Bio-Bäckerei mit legendären Pecan-Scones.

Kulinarisch toppt Savannah sich selbst immer wieder: The Grey serviert Seafood in einer ehemaligen Greyhound-Busstation, während The Fat Radish in einer alten Apotheke französisch angehauchte Pommes in Entenfett ausgibt. Wer’s kitschiger mag, fährt raus zum Crab Shack auf Tybee Island – ein Seafood-Bonanza mit Alligatoren im Vorgarten.

Zwischendurch kann man ruhig mal auf den Friedhof – im Bonaventure Cemetery wird nicht nur gedatet, sondern auch gepicknickt. Besonders bewegend: das Grab der kleinen Gracie, für die Besucher bis heute Geschenke bringen, sogenannte „Sercys“. Und wer das jetzt zu morbide findet, hat die Stadt wohl nicht verstanden.

Museal wird’s im Owens-Thomas House, das nicht nur mit prächtiger Architektur, sondern auch mit einer nüchternen Aufarbeitung der Sklavengeschichte aufwartet. Einen intimeren Blick in afroamerikanisches Leben gewährt das King Tisdell Cottage mit Gastgeberin Imani – lebendiges Wissen inklusive. Und wer es literarisch-dramatisch mag, besucht das Mercer-Williams-Haus, Schauplatz von „Midnight in the Garden of Good and Evil“, samt Mordgeschichte.

Am Ende des Tages lohnt sich ein Besuch im Hotel The Mansion mit seiner skurrilen Hutausstellung – jedes Jahr zwischen 1860 und 1960 ist mit einem originalen Kopfschmuck vertreten. Zum Draufsetzen oder Drunterstellen, je nach Tagesform.

Wer sich dann noch fragt, was das alles mit Zeitreisen zu tun hat: In Savannah springt man von Jahrhundert zu Jahrhundert, von Geistergeschichte zu Südstaaten-Snack – und das alles in Flip-Flops mit Bourbon im Becher. Eine Stadt, die sich selbst nicht ganz ernst nimmt – und das macht sie unwiderstehlich.