In einem abgelegenen Winkel der bretonischen Küste liegt ein Schiff, das einst als Symbol französischer Macht diente – und heute langsam vor sich hin rostet. Die Rede ist vom Kreuzer Colbert C611, einem einst hochmodernen Kriegsschiff, das nicht nur militärisch, sondern auch politisch von großer Bedeutung war. Heute fristet es als Lost Place sein Dasein – eine maritime Ruine mit einer eindrucksvollen Geschichte.
Kriegsschiff Colbert: Ein Präsident an Bord
Der Kreuzer Colbert, liebevoll auch als „schwimmender Élysée-Palast“ bezeichnet, war das offizielle Marine-Transportmittel von General Charles de Gaulle, dem wohl bedeutendsten Staatsmann Frankreichs im 20. Jahrhundert. De Gaulle nutzte das Schiff auf offiziellen Reisen – gemeinsam mit seiner Frau Yvonne bewohnte er die Admiralssuite, die mit Mobiliar aus dem Élysée-Palast ausgestattet war.
Bilder mit freundlicher Genehmigung von BOREALLY.fr

Das Schiff verfügte über eine direkte Telefonleitung zum Präsidialamt sowie über die Technik zur Auslösung eines nuklearen Gegenschlags. Auch Regierungsdokumente wurden an Bord unterzeichnet. Sie trugen stolz die Herkunftsbezeichnung „Fait à bord du Colbert“.
Ein Kriegsschiff mit französischem Charme
Die Colbert war mehr als ein repräsentatives Transportmittel. Mit einer Verdrängung von 10.000 Tonnen und Bewaffnung zur See und Luftabwehr war sie militärisch bestens gerüstet. Bis zu 1.000 Mann Besatzung fanden Platz an Bord des mächtigen Kriegsschiffs.
Doch ganz französisch durfte auch die Lebensqualität nicht fehlen: Eine eigene Bord-Bäckerei mit traditionellem Ofen gehörte ebenso zur Ausstattung wie ein voll eingerichtetes Zahnarztzimmer. Selbst das Wohnambiente wurde nicht dem Zufall überlassen – Yvonne de Gaulle ließ Scheinfenster und einen künstlichen Kamin installieren, um ihrem Salon eine wohnliche Atmosphäre zu verleihen.
Der Niedergang beginnt
Nach ihrer letzten aktiven Mission – dem Operation Salamandre im Jahr 1990 im Vorfeld des Golfkriegs – wurde die Colbert außer Dienst gestellt und nach Bordeaux verlegt. Dort diente sie ab 1993 als Museumsschiff und war mehrere Jahre für Besucher zugänglich. Doch der Unterhalt eines ehemaligen Kriegsschiffs ist teuer. Die zuständige Betreibergesellschaft konnte die enormen Instandhaltungskosten nicht mehr stemmen, und 2006 musste das Museum aus finanziellen geschlossen werden.
Seitdem ist die Colbert nur noch ein Schatten ihrer selbst. Im Marinefriedhof von Landévennec, einer ehemaligen Marinebasis aus der Zeit Napoleons III., wartet sie auf ihr Schicksal. Ihr offizieller Name wurde gestrichen, ersetzt durch das militärische Kürzel Q683 – ein Code, der ausgedienten Schiffen der französischen Marine zugewiesen wird.
Ihre Zukunft: Entweder als Schrott recycelt oder als Zielobjekt für Navy-Übungen versenkt.
Urbex auf dem Wasser: Verbotene Entdeckungsreise
Im Jahr 2009 wagte sich der französische Fotograf Pierre-Henry Muller an Bord des verfallenden Kolosses – und zwar auf ungewöhnlichem Wege. Um nicht von Wachposten entdeckt zu werden, schwamm er mit seiner Kameraausrüstung zur Colbert und dokumentierte den Zustand des Schiffes in beeindruckenden Aufnahmen.
Seine Fotos zeigen verlassene Kommandoräume, verrostete Decks, den einstigen Wohnbereich der de Gaulles – und werfen einen faszinierenden Blick auf die vergessene Eleganz eines verlorenen Kriegsschiffs.

Mullers Bilder offenbaren nicht nur die Wunden der Zeit, sondern auch die Würde eines Schiffes, das einst Staatsgeheimnisse bewahrte, Präsidenten beherbergte – und nun stumm im Wasser treibt. Ein wahrer Lost Place, wie ihn Geschichts- und Militärbegeisterte gleichermaßen schätzen.