Eine Geschichte über Thompson den Author, Hells Angels und Ikone. Im Juni 1970 wurde der Journalist Hunter S. Thompson in seine Heimatstadt Louisville, Kentucky geschickt, um für Scanlan’s Monthly über das berühmte Kentucky Derby zu berichten. Heraus kam ein berüchtigter Artikel mit dem Titel: „The Kentucky Derby Is Decadent and Depraved“ – ein Text, der weniger das Pferderennen beleuchtet, sondern vielmehr die exzessive, beinahe orgiastische Atmosphäre um das Event herum einfängt:
„Tausende von Menschen, die ohnmächtig wurden, weinten, kopulierten, sich gegenseitig niedertrampelten und mit zerbrochenen Whiskeyflaschen kämpften.“
Thompson schrieb in der Ich-Perspektive und verknüpfte die chaotischen Bilder mit der politischen Lage der Zeit: Präsident Nixon ließ Kambodscha bombardieren, und kurz zuvor hatten Nationalgardisten in Ohio vier Studenten erschossen. Der Artikel – ein Affront gegen jede Form journalistischer Objektivität – gilt heute als Geburtsstunde des „Gonzo-Journalismus“, einem Stil, in dem der Autor Teil der Geschichte wird.
Doch obwohl dieser Text nicht Thompson als Ganzes definiert, markiert er einen Wendepunkt im Leben eines der unkonventionellsten und furchtlosesten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts.
Kindheit und Jugend
Hunter Stockton Thompson wurde am 18. Juli 1937 in Louisville, Kentucky geboren – als ältester von drei Söhnen eines Versicherungsangestellten und einer Bibliothekarin. Nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1952 wuchs er unter schwierigen Umständen auf: Seine Mutter, überfordert und zunehmend alkoholabhängig, musste ihn und seine Brüder allein ernähren – von einem bescheidenen Gehalt.
Thompson zeigte früh sportliches Talent, lehnte jedoch jegliche Autorität ab. Stattdessen fand er Zuflucht in der Literatur – unter anderem bei Jack Kerouac und J.P. Donleavy.
Ein Raubüberfall, bei dem er im falschen Auto zur falschen Zeit saß, beendete seine Schulkarriere abrupt. Statt eines Abschlusses gab es eine Gefängnisstrafe – und eine neue Richtung.
Militärdienst & Journalistische Anfänge
Thompson meldete sich bei der US Air Force, wo er zunächst in Texas und später in Florida stationiert war. Schon dort begann er zu schreiben – erst als Sportredakteur für ein Militärblatt, später auch für lokale Zeitungen, wenn auch anonym, da Nebentätigkeiten untersagt waren.
Sein Talent blieb nicht unbemerkt, doch seine rebellische Haltung führte dazu, dass man ihm frühzeitig ein „ehrenvolles“ Ende seiner Dienstzeit nahelegte. Zurück im Zivilleben begann eine Odyssee durch verschiedene Jobs und Orte: New York, Puerto Rico, Kalifornien, Brasilien. Thompson arbeitete als freier Journalist, kämpfte ums Überleben – und sammelte Stoff für seine Geschichten.
Hunter S. Thompson: Aufstieg durch die Hölle – Hell’s Angels und literarischer Durchbruch

Hunter S Thompson und die Hells Angels
Ihm gelang 1965 der Durchbruch: Sein Artikel über die berüchtigten Hells Angels, zunächst veröffentlicht im The Nation, wurde später zur Buchlänge erweitert. Dafür lebte er ein Jahr lang mit den Hells Angels – bis sie ihn schließlich zusammenschlugen, weil sie sich von ihm verraten fühlten.
Das daraus entstandene Buch, Hunter S Thompson Hells Angels, machte ihn berühmt – und brachte ihm den Ruf eines furchtlosen Chronisten der Subkultur ein.
Der Beginn des Gonzo-Zeitalters
1970 schrieb Thompson als Author den Kentucky-Derby-Artikel – und kurz darauf sein Meisterwerk: Fear and Loathing in Las Vegas. Begleitet von seinem Anwalt Oscar Zeta Acosta (alias Dr. Gonzo) entstand daraus eine wilde Drogen-Odyssee durch das post-hippiegenerationale Amerika, eine Abrechnung mit dem gescheiterten Traum der 60er. Der Text wurde zuerst in Rolling Stone veröffentlicht, später als Buch – und schließlich zur Ikone.
Es folgten politische Reportagen (Fear and Loathing on the Campaign Trail ’72), die Thompson endgültig zur Kultfigur machten.
Verfall und Rückzug

Nach dem Höhenflug in den frühen 70ern begann der langsame Abstieg. Thompson kämpfte mit Alkohol- und Drogenproblemen, verpasste Deadlines, ließ wichtige Termine sausen – wie etwa den legendären „Rumble in the Jungle“-Boxkampf in Afrika. Trotzdem blieb er eine feste Größe bei Rolling Stone.
Sein Werk schrumpfte auf Sammelbände, Kolumnen und Fragmente – viele davon brillant, manche chaotisch und unverständlich.
Hunter S. Thompson : Letzte Jahre & Tod
Die letzten Jahre verbrachte Thompson zurückgezogen auf seinem Anwesen „Owl Farm“ in Colorado, von dem aus er gelegentlich für ESPN schrieb. 2003 heiratete er seine Assistentin Anita Bejmuk. Zwei Jahre später, am 20. Februar 2005, setzte er seinem Leben ein Ende – mit einem Schuss in den Kopf, während er mit seiner Frau telefonierte.
Seinem letzten Wunsch entsprechend, ließ Johnny Depp – ein enger Freund – seine Asche mit einer Kanone in den Himmel schießen, begleitet von Norman Greenbaums „Spirit in the Sky“.