Einst glitten sie majestätisch über das stille Wasser des Dal- und Nagin-Sees: kunstvoll verzierte Hausboote mit geschnitzten Fassaden, weichen Teppichen und Teekannen aus Samowar, die leise vor sich hin dampften. Diese schwimmenden Hotels waren mehr als nur eine exotische Unterkunft – sie waren die Seele eines goldenen Zeitalters, als Kaschmir noch als „Paradies auf Erden“ galt.
Im 19. Jahrhundert, während der britischen Kolonialzeit, durften Ausländer in Kaschmir kein Land erwerben – also wichen sie aufs Wasser aus. Dort ließen sie prächtige Hausboote bauen, die bald zu Treffpunkten für Reisende, Dichter und Freigeister wurden. Mit Namen wie „Queen Elizabeth“ oder „New Buckingham Palace“ lagen sie wie schlafende Schwäne am Ufer, bereit, Gäste in eine andere Welt zu entführen.
In den 1970er- und 80er-Jahren erlebte Kaschmir einen kulturellen Tourismusboom. Rucksackreisende, Musiker, Intellektuelle – alle wollten auf den berühmten Hausbooten wohnen, wo sich zwischen schimmernden Spiegelungen auf dem Wasser Geschichten und Schicksale verflochten. Lou Reed selbst schrieb nach einem Aufenthalt: „Ich fühle mich wie in einem Gedicht – zwischen Himmel und Wasser gefangen.“
Doch der Glanz verblasste jäh. Mit dem Ausbruch des bewaffneten Konflikts in der Region im Jahr 1989 verwandelte sich das Idyll in eine Sperrzone. Die Touristen blieben aus, die Hausboote begannen zu verfallen. Lack splitterte ab, Möbel vermoderten, und mit jeder Saison verschwand ein weiteres Stück Vergangenheit.
Heute kämpfen die verbliebenen Besitzer – viele in vierter oder fünfter Generation – mit der Bürokratie, Umweltauflagen und der Gleichgültigkeit der Moderne. Von einst über 3.500 Hausbooten sind kaum 800 übrig. Viele dieser Boote liegen halb im Wasser versunken, andere dienen nur noch als Lagerräume oder werden notdürftig bewohnt.
Die Fotografin Helen Rimell dokumentierte diesen stillen Niedergang. In ihren Bildern schwingt Wehmut mit, aber auch Stolz: Aufnahmen von Männern, die ihre Boote polieren, obwohl sie keine Gäste mehr empfangen. Von Großmüttern, die Teetassen aus Porzellan liebevoll nebeneinanderstellen, als würden sie alte Freunde erwarten.
Es sind schwimmende Zeugen einer Ära, die fast in Vergessenheit geraten ist – ein letzter Tanz auf dem Wasser, ehe auch das Licht ihrer geschnitzten Fenster für immer erlischt.