Wenn man an das Mittelalter denkt, tauchen in der Vorstellung oft düstere Bilder von Kerkern, Inquisition und grausamen Folterwerkzeugen auf. Eines der bekanntesten – und zugleich umstrittensten – ist die sogenannte „Birne der Angst“ (engl. Pear of Anguish). Dieses Instrument soll dazu gedient haben, Geständnisse aus vermeintlichen Kriminellen, Hexen oder Häretikern herauszupressen. Doch was ist dran an der Geschichte dieses bizarren Geräts?
In diesem Beitrag werfen wir einen sachlichen Blick auf die Herkunft, den angeblichen Einsatz und die wissenschaftlichen Zweifel rund um dieses mysteriöse Objekt – und beleuchten seinen Platz in der Geschichte der Folterwerkzeuge.
Was ist die „Birne der Angst“?
Der Name allein lässt bereits Unbehagen aufkommen. Bei der „Birne der Angst“ handelte es sich – angeblich – um ein birnenförmiges Folterinstrument aus Metall, das in verschiedene Körperöffnungen eingeführt und anschließend durch eine Drehmechanik aufgeweitet wurde. Dadurch sollten dem Opfer extreme Schmerzen zugefügt werden – ohne es zwangsläufig zu töten.
Je nach Delikt und gesellschaftlicher Stellung sei das Gerät unterschiedlichen Gruppen zugefügt worden: angeblich erhielten ketzerische Prediger die Birne in den Mund, sogenannte „Hexen“ oder Homosexuelle in andere Körperöffnungen. Die Konstruktion bestand in der Regel aus vier Metallblättern, die durch eine Schraube oder einen Mechanismus auseinandergeklappt werden konnten.
Das Mittelalter und seine Folterwerkzeuge
Die Vorstellung vom Mittelalter als Zeitalter der Dunkelheit und Brutalität ist weit verbreitet. Zwar ist diese Sichtweise heute differenzierter zu betrachten, doch unbestritten ist: Folterwerkzeuge spielten in der Strafverfolgung eine bedeutende Rolle. Die Anwendung von Folter diente nicht nur der „Wahrheitsfindung“, sondern oft auch der Abschreckung.
Zu den bekanntesten Folterinstrumenten jener Zeit zählen der Streckbalken (Rack), Daumenschrauben, die Eiserne Jungfrau oder die sogenannte Brustzange. Die Birne der Angst wird gerne in diese Reihe gestellt – doch ihre tatsächliche Verwendung ist historisch höchst umstritten.
Zweifel an der Authentizität – Ein moderner Mythos?
Obwohl in vielen Museen weltweit Nachbildungen oder Originale der Birne der Angst zu sehen sind, gibt es erhebliche Zweifel daran, ob sie tatsächlich im Mittelalter als Folterinstrument diente.
Der australische Historiker Chris Bishop untersuchte eine dieser sogenannten „Choke Pears“ genauer. Dabei stieß er auf interessante Details: Die ersten belegbaren Exemplare stammen nicht etwa aus dem 13. oder 14. Jahrhundert, sondern aus dem 19. Jahrhundert – also weit nach dem Mittelalter. Auch ihre Bauweise gibt Anlass zur Skepsis: Die mechanischen Federn seien zu schwach, um ernsthafte Verletzungen zu verursachen, und der Öffnungsmechanismus funktioniere nur außerhalb eines festen Körpers.
Bishop vermutete stattdessen, dass es sich bei der Birne der Angst um ein medizinisches Instrument handeln könnte – ähnlich einem Spekulum oder einem Hilfsmittel für Zahnärzte. Andere Theorien sprechen sogar von einem simplen Handschuh- oder Schuhweitenapparat.
Falsche Legendenbildung durch Museen und Popkultur?
Der Mythos der Birne der Angst scheint auch durch die Ausstellungspraktiken von Museen befeuert worden zu sein. Viele Institutionen präsentieren das Gerät als authentisches Folterwerkzeug – oft ohne belastbare Belege. Der morbide Reiz der mittelalterlichen Grausamkeit hat offenbar einen hohen Schauwert, der historisch nicht immer sauber belegt ist.

Die Popularisierung der „Choke Pear“ durch Schauerliteratur, Filme und Mittelalter-Ausstellungen verstärkte den Eindruck, es handle sich um ein typisches Folterwerkzeug des Mittelalters. Doch je mehr man sich mit dem historischen Kontext beschäftigt, desto deutlicher wird:
Es gibt keinerlei eindeutige Quellen, die eine Verwendung im juristischen oder kirchlichen Folterkontext belegen.
Gab es denn überhaupt keine Folter im Mittelalter?
Natürlich gab es im Mittelalter Folter – teilweise institutionalisiert durch Kirche und Staat. Die Inquisition etwa war berüchtigt für ihre systematische Anwendung von Folterinstrumenten, um Geständnisse zu erzwingen. Es wurden schmerzhafte, teils tödliche Methoden angewendet, um Macht zu demonstrieren und Normabweichungen zu sanktionieren.
Doch gerade deshalb ist es wichtig, zwischen dokumentiertem Folterinstrument und modernen Spekulationen zu unterscheiden. Die Birne der Angst mag ein eindrucksvolles Symbol für Sadismus und Machtmissbrauch sein – ihre tatsächliche Verwendung als Foltergerät bleibt aber mehr als fraglich.
Folterwerkzeug Die „Birne der Angst“
Der Begriff Folterinstrumente ruft in vielen Menschen Bilder mittelalterlicher Grausamkeit hervor – Bilder, die sich tief in das kollektive Gedächtnis eingebrannt haben. Die Birne der Angst ist eines dieser besonders bizarren Symbole. Doch bei genauerem Hinsehen entpuppt sich die Geschichte als höchst zweifelhaft.
Statt eines mittelalterlichen Folterinstruments könnte es sich bei der Birne der Angst um ein Missverständnis oder sogar um bewusste Irreführung handeln. Ob medizinisches Gerät oder viktorianische Kuriosität – eines ist sicher: Die Geschichte der Folterwerkzeuge ist komplexer, als es auf den ersten Blick scheint.
Und vielleicht ist genau das das größte Grauen: nicht nur die Vorstellung von Folter, sondern die Bereitschaft, Mythen ungeprüft zu glauben.